Apnoetauchen - Atemlos durch die Meere
Atemlos – Extremsport Apnoetauchen gewinnt immer mehr Anhänger
Die Sehnsucht nach dem Meer
Durch das tiefe Blau schweben. Schwerelos sein. Dahingleiten über eine faszinierende und wunderschöne Welt, mit ihr verschmelzen, selbst zum Fisch werden. Fliegen – ohne Schwerkraft, ohne das Gewicht des menschlichen Körpers. Unter Wasser ist vieles einfacher – und vieles schwerer. Atmen, zum Beispiel. Sein Bedürfnis nach Sauerstoff ist das Handicap des Menschen, das es ihm immer nur gestattet, eine, maximal zwei Minuten in diesem Wunderland unter der Wasseroberfläche zu verbringen. Länger geht zwar, in der Regel jedoch nur mit kiloschwerer Ausrüstung und Sauerstoffflaschen.
Doch keine Regel ohne Ausnahme. Die Ausnahme bildet in diesem Fall eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen: Apnoetaucher. Sie stellen die Gesetze des menschlichen Organismus auf den Kopf, sie setzen außer Kraft, was für jeden anderen Erdling gilt: Sie atmen nicht. Oder zumindest nur wenig. Mit einem einzigen Atemzug kann ein Apnoetaucher oftmals über 10 Minuten unter Wasser bleiben (der Rekord liegt bei 11 Minuten und 35 Sekunden) und schafft damit das, was anderen verwehrt bleibt: Teil zu werden dieser atemberaubenden und schillernden Welt – ohne Sauerstoffflasche.
Das Spiel mit der menschlichen Urangst
Apnoetauchen ist die ursprünglichste Form des Tauchens und diente bereits den Männern in der Steinzeit zur Jagd auf Fische oder zum Sammeln von Muscheln und Perlen. „Apnoe“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Nicht-Atmung“; minutenlanges Unterwasserbleiben ohne Sauerstoffzufuhr. Eine Grenzerfahrung, die heute weniger als Mittel zum Zweck denn als gefährlicher Extremsport dient. Denn tatsächlich geht es beim Freitauchen vor allem um eins: bis ans Limit zu gehen, den Körper in Gefahr zu spüren, die Macht zu haben, den ureigenen Trieb des Menschen zu kontrollieren und zu unterdrücken – das Atmen.
Denn eigentlich hat der Mensch als sauerstoffabhängiges Wesen vor nichts mehr Angst als wie vor dem Entzug: Ersticken, etwa unter Tage oder unter Wasser, löst beim bloßen Gedankenexperiment Panik aus. Genau mit dieser Panik spielen Apnoetaucher – und lernen sie zu beherrschen. Somit ist Apnoetauchen nicht nur Körperbeherrschung, sondern vor allem Kopfsache. Unter Wasser ist die menschliche Psyche einer ganzen Bandbreite von schädlichen Einflüssen ausgesetzt; verliert der Taucher die Kontrolle, setzen sich blitzschnell auch die körperlichen Reflexe durch. Und genau das macht Freitauchen zu einem derartig gefährlichen Sport – die Schwierigkeit besteht im Unterdrücken normaler physischer wie psychischer Reaktionen.
Im Rausch der Tiefe
Die größte Gefahr für den Apnoetaucher stellt der sogenannte Tiefenrausch dar; ein rauschartiger Zustand, der ab einer Tiefe von etwa 30 Metern eintreten kann. Hierbei verändert sich die Wahrnehmung des Tauchers, er leidet unter akustischen und optischen Störungen, unter Sinnestäuschungen. Hinzu kommen oftmals Symptome wie unbegründete Euphorie- oder Angstgefühle, das Urteilsvermögen wird eingeschränkt, der Betroffene handelt nicht mehr logisch, sondern impulsiv – oft mit tödlichem Ausgang. Nicht zuletzt deshalb ist es beim Apnoetauchen unbedingt erforderlich, die eigenen Grenzen im Vornherein realistisch abschätzen zu können.
Denn: Ein Tieftauchgang kann – bei Erreichen der Leistungsgrenzen – nicht vorzeitig abgebrochen werden; stürmischen Übermut bezahlt der Taucher hier nicht selten mit dem Leben. Die größte physische Herausforderung besteht für den Apnoetaucher natürlich im Kontrollieren der körpereigenen Reflexe, vor allem im Unterdrücken des Atemreizes; unkontrolliertes Luftschnappen führt in der Regel zur Hyperventilation. Dies wird meist durch Panikattacken ausgelöst – nicht selten begeben sich Apnoetaucher in tiefe Höhlen oder Grotten. Je tiefer der Tauchgang, desto entscheidender wird zudem der richtige Druckausgleich. Bei zunehmender Wassertiefe steigt naturgemäß der Umgebungsdruck und wirkt sich schmerzhaft auf den menschlichen Körper aus. Besonders betroffen sind hiervon die mit Luft gefüllten Körperhöhlungen, vor allem das Ohr.
Doch das Trommelfell reagiert nicht nur empfindlich auf die veränderten Druckverhältnisse, sondern würde ohne Druckausgleich bei zunehmender Tiefe schlichtweg reißen. Daher müssen Apnoetaucher vor dem ersten Tauchgang komplizierte Druckausgleichstechniken erlernen und dabei die Elastizität von Zwerchfell, Brustkorb und Zwischenrippenmuskulatur trainieren. Doch Vorbereitung ist nicht alles. Freitauchen braucht auch Erfahrung. Denn: Fällt der Sauerstoffgehalt im Blut zu stark ab, droht eine baldige Ohnmacht. Vor allem unerfahrene Taucher können die ersten Anzeichen hierfür oftmals nicht erkennen – und gehen über ihre Grenzen. Daher gilt als Faustregel beim Apnoetauchen: niemals alleine!
Nur durch einen erfahrenen Partner können Unfälle durch Selbstüberschätzung verhindert werden. Generell sollte diese Art des Tauchsports niemals auf eigene Faust ausprobiert werden, auch nicht im vermeintlich seichten Gewässer wie dem heimischen Baggersee. Mittels speziellem Training müssen zunächst im Schwimmbecken Atemtechniken und Verhaltensregeln erlernt werden. Erst wer tatsächlich Kopf und Körper gleichermaßen unter Kontrolle hat, kann eine Jugendreise zum Meeresgrund in Form von Tauchen oder von Apnoetauchen wagen.